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Frontex konzentriert sich zunehmend auf Überwachung aus der Luft

Vergangene Woche hat die griechische Küstenwache in Zusammenarbeit mit Frontex Tests zur Überwachung mit unbemannten Luftschiffen über der Insel Samos beendet. Diese waren Teil der Operation Poseidon, einer Frontex-Mission zur Unterstützung der griechischen Küstenwache, im Rahmen derer 600 Frontex-Offiziere berufen wurden. Der Hersteller des Zeppelins A-NSE ist auf zivile und militärische Luftüberwachung spezialisiert und das Luftschiff ist mit einem Radar, einer Wärmebildkamera und einem automatischen Identifikationssystem für Bewegungen größerer Schiffe ausgestattet. Im Zuge der Testungen wurden vom Luftschiff aus irreguläre Grenzübertritte gefilmt und in Folge von mobilen Sensoren der portugiesischen Nationalgarde ausgewertet.

Auch am Grenzfluss Evros ist seit Kurzem ein Zeppelin im Zuge einer Kooperation zwischen Frontex und den griechischen Sicherheitsbehörden im Einsatz. Entlang dieser Grenze haben in diesem Jahr ungefähr 2.700 Menschen versucht, in die EU zu gelangen. Den griechischen Behörden wird vorgeworfen, auch hier Pushbacks durchgeführt zu haben.

Die Verlagerung der Grenzschutzmissionen auf den Luftraum zeichnet sich aber schon seit Längerem ab. Im Herbst des vergangen Jahres berichtete The Guardian, dass Frontex gemeinsam mit dem europäischen Konzern Airbus und den beiden israelischen Konzernen Israel Aerospace Industries und Elbit Systems Ltd. an der Realisation eines „Seeüberwachungsdienstes aus der Luft“ arbeitet. Zwei Verträge im Wert von 50 Millionen Euro wurden bereits unterzeichnet.

Heron, die von Israel Aerospace Industries geleaste Drohne, soll vor allem im Seepatrouillen- und Küstenschutzdienst eingesetzt werden und darf sich auch im zivilen europäischen Luftraum bewegen. Die RPAS-Plattform (Remotely Piloted Aerial System) zur Kommunikation, Datenübertragung, Missionsspeicherung, Steuerung und Unterstützung über Funk- und Satellitenverbindung wird von der Airbus DS Airborne Solutions GmbH bereitgestellt. Neben einer ununterbrochenen Flugzeit von bis zu 24 Stunden in einer Höhe von über 10.000 Metern kann das ferngesteuerte Flugzeug auch Raketenangriffe durchführen, wobei die Firma Airbus bereits klargestellt hat, dass das an Frontex geleaste Luftfahrzeug keine Waffen tragen wird.

Auch der Vertrag mit Elbit Systems Ltd. hat die Luftüberwachung der Seeräume zum Ziel. Das unbemannte Fluggerät Hermes, das bis zu 36 Stunden in circa 9.000 Metern Höhe fliegen kann wurde letzten September von der britischen Seeschifffahrts- und Küstenwache getestet.

Schon 2017 wurde ein Vertrag über 6,45 Millionen Euro zwischen Frontex und Israel Aerospace Industries unterzeichnet. Der Konzern stellte für ein halbes Jahr ein ferngesteuertes Flugzeug zur Verfügung, mit dem 600 Stunden Flugtests von Frontex in Zusammenarbeit mit mehreren Mitgliedsstaaten im Mittelmeerraum stattgefunden haben.

Auch der italienische Konzern Leonardo soll mit einen Vertrag im Wert von 2,25 Millionen Euro eine Falco EVO-Drohne für 300 Stunden zur Verfügung stellen.

Nicht nur in Griechenland werden unbemannte Flugzeuge eingesetzt. Auch die Zentraldirektion für Einwanderung und Grenzschutz des italienischen Innenministeriums verwendet eine gemeinsam mit Frontex getestete Drohne zur Überwachung der Seeaußengrenze und auch Portugal überwacht den Nordatlantik aus der Luft.

Der Europäische Grenzschutz hat den Einsatz derartiger Technologien allerdings bereits jetzt umfangreicher und strukturierter implementiert, als wir ahnen. Das portugiesische Unternehmen CeiiA unterzeichnete einen Vertrag über zwei Jahre im Wert von 59 Millionen Euro zum Einsatz von Flugzeugen des Typs Hermes 900, die von Island aus in Betrieb genommen und im weiteren Verlauf auch im Mittelmeer eingesetzt wurden.

Die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs soll in den Jahren 2018 und 2019 Drohneneinsätze in Portugal, Spanien, Dänemark, Griechenland, Kroatien, Italien und Island koordiniert haben. Bis zum Oktober 2019 wurden Drohneneinsätze in zehn Verträgen, unter anderem mit CeiiA und dem österreichischen Militärelektronikunternehmen Schiebel, von denen drei noch nicht ausgelaufen sind, festgeschrieben. 2020 wurden Anträge von acht Mitgliedstaaten für den Betrieb ferngesteuerter Systeme an die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs gestellt.

Seit 2014 sind im Mittelmeer vor der italienischen Küste unbemannte RQ1-Predator-Flugzeuge aktiv. 2017 wurde die 61st AMI Flight Group auf dem sizilianischen Luftwaffenstützpunkt aktiviert, um diese Drohnen zu steuern. Die Predator-Drohnen könnten laut Frontex auch zur „Verteidigung“ der Außengrenzen eingesetzt werden.

Insgesamt erklärt Frontex, dass der Einsatz einer Vielzahl unbemannter Luftgefährte es ihnen auch ermöglicht, Aufklärungsflüge im „Vor-Grenzgebiet“ vor Tunesien, Libyen und Ägypten durchzuführen. Dazu müssen Arbeitsabkommen mit den einzelnen Regierungen geschlossen werden, um Informationen über die Überwachung des Mittelmeers in Nicht-EU-Gebiet zu regeln. Derartige Kooperationen finden erwiesenermaßen bereits mit der sogenannten libyschen Küstenwache statt und Libyen wurde als erstes Drittland über das „Seahorse Mediterranean“- Netzwerk, ein Kooperationsprogramm für Informationsaustausch im Mittelmeerraum, an die europäischen Überwachungssysteme angeschlossen.

Die Automatisierung der Seeüberwachung erlaubt es der Grenzschutzagentur, sich aus der Verantwortung zu ziehen, nachdem Informationen über Schiffe in Seenot an die nächstgelegene Koordinierungsstelle für Seenotrettung übermittelt werden müssen. So werden dann zum Beispiel Berichte über Notfälle in der libyschen Such- und Rettungszone an Libyen weitergeleitet. Drohnen und Zeppeline – unbemannte ferngesteuerte Luftfahrzeuge – sind nicht dazu verpflichtet, einem Schiff in Not zu helfen. Es ist ein einfacher Weg der Grenzüberwachung ohne selbst Leben retten zu müssen.

Die Europäische Kommission bestreitet Anschuldigungen dergleichen. Der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik wies die Vorwürfe, dass Frontex im Rahmen von Überwachungsoperationen Daten an die sogenannte libysche Küstenwache weitergegeben hat, zurück. Er bestätigt allerdings, dass im Rahmen des EUROSUR Fusion Service in mehreren Fällen sehr wohl Informationen geteilt wurden.

Abgesehen von den Bedenken zur Wahrung der Menschenrechte auf libyschem Boden, ist die Küstenwache des Landes auch in seinen Ressourcen nicht ausreichend aufgestellt. 2017 wurden 1,8 Millionen Euro in die Erstellung einer Durchführbarkeitsstudie der italienischen Küstenwache investiert, um der sogenannten libyschen Küstenwache im Aufbau zur Seite zu stehen. Die Ergebnisse wurden 2019 vorgelegt und es wurde darum ersucht, Libyen mit Kontroll-, Führungs-, Telekommunikations- und Seeverkehrsüberwachungssystemen, Satellitenfunkausrüstungen sowie Ressourcen zur Ausbildung zu unterstützen. Hilfeleistungen im Wert von 46 Millionen Euro als erste Phase der Unterstützung wurden von der Kommission genehmigt. Als zweiter Teil wurde ein maritimes Rettungs- und Koordinationszentrum im Wert von 45 Millionen Euro eingerichtet. Während dieser Zeit führt die sogenannte libysche Küstenwache bereits „Such- und Rettungsmissionen“ im Mittelmeer durch.

Auch gibt es mittlerweile Vorwürfe, dass im sizilianischen Kanal im Rahmen der Partnerschaft zwischen Frontex und der Marine von Tripolis Pushbacks durchgeführt werden.

Quellen:

https://netzpolitik.org/2019/eu-aussengrenzen-frontex-beendet-test-mit-unbemanntem-luftschiff/

https://www.tt.com/artikel/30797549/frontex-luftschiff-kontrolliert-nun-eu-grenze-zur-tuerkei-am-fluss-evros

https://kurier.at/politik/ausland/griechenland-eu-aussengrenze-wird-per-zeppelin-kontrolliert/401459323

https://www.statewatch.org/analyses/2021/border-surveillance-drones-and-militarisation-of-the-mediterranean/

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