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OLAF-Ermittlungen – Zeug:innen sind sich einig

Schon seit über einem Jahr üben Medien, Aktivist:innen, NGOs, Politiker:innen und Einzelpersonen scharfe Kritik an Frontex, der Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache. Zuletzt würde öffentlich, dass das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung gegen diese ermittelt. Fabrice Leggeri, der Generaldirektor der Agentur, soll über illegale Pushbacks durch die griechsiche Küstenwache Bescheid gewusst, und diese vertuscht haben.

OLAF ist zuständig, mögliche Veruntreuungen von EU-Geldern oder Betrug und Missachtung von Regularien durch EU-Funktionär:innen zu ermitteln. Die Untersuchungen im Fall von Frontex laufen bereits seit einem Jahr. Nun sollen auch die Büros von Leggeri und seinen Vertrauten durchsucht worden sein.

Bei einem Treffen der Europaparlamentarier:innen soll OLAF-Chef Ville Itälä erklärt haben: Anders als es häufig der Fall ist, herrsche bei der Frontex-Ermittlung Einigkeit unter allen zwanzig Zeig:innen – es gäbe klare Beweise. Die Identitäten der drei beschuldigten Frontex-Führungskräfte sind weiterhin unbekannt, allerdings wird vermutet, dass Leggeri im Zentrum der Ermittlungen steht. Der Ermittlungsbericht, der über 200 Seiten lang sein soll, wird immer noch zurückgehalten, sodass auch die Abgeordneten nur mündlich in Kenntnis gesetzt wurden. Der Frontex-Generaldirektor wollte keine Fragen der EU-Parlamentarier:innen beantworten, nachdem auch er den Bericht nicht gelesen habe.

Aufgrund der Schwere der Vergehen soll OLAF gegenüber dem Frontex-Verwaltungsrat Disziplinarmaßnahmen empfohlen haben. Konkret geht es bei den Vorwürfen um Frontex‘ mutmaßliche Unterstützung illegaler Pushbacks in der Ägäis zwischen der türkischen Küste und griechischen Inseln. Sie sollen Motoren der Boote, mit denen Menschen über das Meer flüchteten, zerstört, Schutzsuchende in Richtung Türkei gebracht und auf dem Wasser zurückgelassen haben. In einigen Fällen sogar jene, die bereits das Ufer erreicht hatten. Das System dieser illegalen Pushbacks wurde bereits vor über einem Jahr durch eine Kooperation des Spiegels mit Lighthouse Reports und weiteren Medien aufgedeckt. In mehreren dieser Fälle sollen außerdem Frontex-Beamt:innen in der Nähe gewesen sein, teilweise Boote an die griechische Küstenwache übergeben, und in mindestens zwei Fällen die Einsätze der Küstenwache aus der Luft beobachtet haben. Zu den Beweisen, die OLAF vorliegen, gehören unter anderem Fotos, die zeigen, dass Leggeri bereits lange über die rechtswidrigen Rückführungen Bescheid wusste. In einem Vorfall vom 19. April 2020 wurden Aufnahmen eines Frontex-Überwachungsflugzeugs live nach Warschau in die Zentrale der Agentur gesendet. Auf diesen ist zu sehen, wie Schutzsuchende nördlich der Insel Lesbos von der griechischen Küstenwache gestoppt und an Bord genommen wurden. Sie konnten nicht von ihrem Recht auf das Stellen eines Asylantrags Gebrauch machen, sondern wurden stattdessen zurück in ihr Boot gesetzt und in Richtung der türkischen Such- und Rettungszone gebracht. Am nächsten Morgen wurden sie schließlich von der türkischen Küstenwache gerettet.

Der Pilot des Überwachungsflugzeuges erhielt, so der Frontex-Missionsbericht, vom griechischen Koordinationszentrum in Piräus die (auch auf Nachfrage) unbegründete Anweisung, sich von dem Schlauchboot zu entfernen. Das letzte aufgenommene Bild zeigt die Geflüchteten in ihrem Boot ohne Motor auf dem Wasser.

Quelle:

https://www.spiegel.de/ausland/frontex-skandal-warum-fabrice-leggeri-doch-noch-stuerzen-koennte-a-c5af6fff-2e06-4908-b252-205b356bc5ee

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