Datum

NGO fordert Ylva Johansson auf, die Entlassung Leggeris vorzuschlagen

Die NGO Front-LEX fordert die EU-Kommissarin für Inneres, Ylva Johansson, am vergangen Donnerstag in einer Sachverhaltsdarstellung auf, einen Vorschlag zur Entlassung des Frontex Generaldirektors Fabrice Leggeri gemäß Artikel 107 Absatz 2 der Europäischen Verordnung über die Grenz- und Küstenwache vorzulegen. Der Artikel besagt: „Die Befugnis zur Entlassung des Direktors liegt beim Verwaltungsrat auf Vorschlag der Kommission“. Das 13-seitige Schreiben an Johansson stütz sich auf „Untätigkeit“ gemäß dem Artikel 265 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (TFEU). Die Schreibenden argumentieren, dass angesichts der Beweise eine rechtliche Verpflichtung zu einem Antrag zur Entlassung durch die Kommission vorliegt.

In dem Schreiben berufen sich Omer Shatz und Iftach Cohen, die die Sachverhaltsdarstellung im Namen von Front-LEX und zwei aus Sicherheitsgründen unbekannten Asylsuchenden eingereicht haben, auf eine Aussage Johanssons, in der diese behauptet, dass eine Entlassung Leggeris Einstimmigkeit im Verwaltungsrat erfordern würde und, dass dieser auch entgegen eines Vorschlags durch die Kommission abstimmen könnte. Shatz und Cohen argumentieren, dass einerseits keine Einstimmigkeit erforderlich ist, und andererseits, dass ein mögliches Abstimmungsergebnis entgegen des Vorschlags nicht bedeutet, dass die Kommission ihren Verpflichtungen, die Menschenrechte zu waren, nicht nachkommen muss.

Johansson muss binnen 60 Tagen auf die Sachverhaltsdarstellung reagieren. Falls ihrerseits eine Reaktion ausbleibt, soll vor dem allgemeinen Gericht in Luxemburg eine Klage eingebracht werden.

Ein Vorschlag zur Entlassung müsste dem Frontex-Verwaltungsrat vorgelegt werden. Dieser ist dafür zuständig, die Tätigkeiten der Europäischen Grenzschutzagentur zu überwachen und setzt sich aus Vertreter:innen der Leiter:innen von Grenzbehörden in den 26 EU-Mitgliedstaaten, sowie aus zwei Mitgliedern der Europäischen Kommission zusammen. In der kommenden Woche sollen sich diese über mögliche Konsequenzen des ersten Frontex-Berichts durch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung Olaf beraten.

Die Sachverhaltsdarstellung ist, unter anderem, eine Reaktion auf die Olaf-Ermittlungen. Im Zuge dieser sollen drei Frontex-Führungskräfte angeklagt werden, Informationen zu illegalen Pushbacks zurückgehalten zu haben. Sowohl der Ermittlungsbericht, als auch die Namen der Angeklagten werden weiterhin geheim gehalten. Vermutungen, dass es sich bei einem der Angeklagten um den Generaldirektor Leggeri handelt, bestehen allerdings. Sein ehemaliger Kabinettschef, Thibauld de la Haye Jousselin, könnte ebenfalls gemeint sein. Jousselin ist aktuell der Direktor der Frontex-Abteilung für Human Resources und Rechtsangelegenheiten, dem Governance Support Centre.

Im weiteren Verlauf des Schreibens an Johansson geht es um das Versäumnis seitens Frontex, angesichts der steigenden Zahl an Mandaten bis zum 5. Dezember 2020 40 Grundrechtsbeobachter:innen einzustellen. Leggeri wird in der Sachverhaltsdarstellung vorgeworfen, aktiv gegen die Maßnahme vorgegangen zu sein.

Weitere Vowürfe betreffen Frontex’ Zusammenarbeit mit Ungarn entgegen des Artikel 46 der Europäischen Verordnung für Grenz- und Küstenwache. Johansson, nachdem sie in einer Rede vom 23. Juni 2021 angab, nicht über die Frontex-Unterstützung bei Rückführungen aus Ungern bescheid zu wissen, ist zumindest seitdem sie sich am selben Tag korrigierte, im Bewusstsein über die Versäumnisse der Europäischen Grenzschutzagentur und Leggeris bezüglich der Rückführungen aus Ungarn.

In Bezug auf eine „pseudo-Ermittlung“ durch eine vom Frontex-Verwaltungsrat entsandte Working Group, schreiben Shatz und Iftach:

Am 4. März 2021 sagten Sie, Kommissarin Johansson, dass “ich denke, es ist wichtig, dass wir dass wir eine Kultur haben, in der wir aus Fehlern lernen, und […] es ist wichtig zu zeigen, dass die Agentur Kritik hört”. Wir sind der Ansicht, dass aus dem anhaltenden Versagen der Kommission, in Übereinstimmung mit Art. 107(2) der EBCG-Verordnung und ihren positiven Verpflichtungen zu handeln die gleiche Aufforderung, diesmal an die Kommission selbst gerichtet, ergibt: Es ist wichtig, dass die Kommission eine neue Kultur annimmt, eine Kultur, in der Versagen anerkannt und angesprochen wird.

Quellen:

https://euobserver.com/world/154567

https://media.euobserver.com/be1831ed487f2e81998b9f4d3f180e24.pdf

weiter
lesen