Der am 13. Oktober veröffentlichte Bericht des europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung Olaf über die Grenzschutzagentur Frontex zog gemischte Reaktionen des Europäischen Parlaments und der Kommission nach sich.
In dem Bericht ist dokumentiert, wie die Agentur Menschenrechtsverletzungen vertuscht hat und interne Stimmen, die auf eine transparente Berichterstattung schwerwiegender Fälle gedrängt hatten, unterdrückte.
Auch die Rolle der griechischen Behörden, die Menschenrechtsverletzungen und Pushbacks anordneten, wird in dem Bericht beleuchtet. Griechenland erklärte diese Informationen wiederholt für „Fake News“ und „Erdogans Agenda“.
Die Kommission ist die einzige politische europäische Institution, die im Frontex-Verwaltungsrat vertreten ist. Sie erklärte, mit den griechischen Behörden in Kontakt zu stehen und dass Frontex‘ Aufgabe darin bestehe, Mitgliedstaaten unter Wahrung der Grundrechte zu helfen, „die gemeinsamen EU-Außengrenzen zu schützen“. Auf die Frage, ob die Kommission eine politische Verantwortung trüge, erhielt EURACTIV keine Antwort.
LIBE, der Ausschuss für Justiz und Inneres im Parlament hat Medienberichten zufolge erneut eine „Frontex Scrutiny Working Group“ eingesetzt, die Untersuchungen zur Agentur durchführen soll.
Lena Dupont (EVP), Vorsitzende der Working Group, erklärte, die Konsequenzen seien gezogen worden und die betreffenden Personen seien zurückgetreten oder hätten disziplinarische Maßnahmen ergriffen. Sie ist der Meinung, es braucht eine starke Grenzschutzagentur und eine rasche Entscheidung darüber, wer deren Leitung langfristig übernimmt statt „fruchtlose und politisch motivierte Debatten über [ihre] Auflösung“.
Dem widerspricht die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses DROI Maria Arena (S&D), die erklärte, es gäbe ein systematisches Problem innerhalb der Agentur und die Passivität der Kommission hätte es Griechenland ermöglicht, ein gefährliches und gewalttätiges System aufzubauen.
Dupont erklärt sich zuversichtlich, dass die Beschäftigung von Grundrechtsbeauftragten in allen relevanten öffentlichen Sektoren und die Einbeziehung unabhängiger Stellen in Griechenland positive Folgen haben wird.
Eine solche unabhängige Stelle ist die 2019 gegründete Nationale Transparenzbehörde (NTA), die Zweifel an Duponts Zuversicht aufkommen lässt. Die Behörde wurde 2021 mit der Untersuchung bzw. Überwachung der Einhaltung der Grundrechte im Migrationsmanagement betraut, nachdem die Kommission auf einen solchen unabhängigen Mechanismus drängte. Die Entscheidung wurde von Anfang an kritisiert, zumal der damalige Leiter der Transparenzbehörde, Angelos Binis, heute Leiter der internen Revision bei Frontex, ein enger Freund des griechischen Premiers Kyriakos Mitsotakis war und über keine Erfahrungen in dem Bereich verfügte.
Die erste drei-monatigen Untersuchung über Griechenlands Migrationsmanagement, deren Abschluss im März 2022 bekannt gegeben wurde, ergab, dass die Transparenzbehörde keine Beweise für Pushbacks fand. Dieses Ergebnis wurde von Notis Mitarakis, dem griechischen Migrationsminister, als Bestätigung ebendieser Behauptung angeführt.
Der Bericht und die Behörde selbst ernteten viel Kritik. Ein Vorwurf betraf die Intransparenz der Arbeitsweise, indem weder Methodik noch verwendete Daten und auch die Untersuchung selbst nicht öffentlich gemacht wurden. Auf nationalen und internationalen sowie institutionellen Druck hin wurde der Bericht im Mai 2022 veröffentlicht.
Doch auch dann blieb die Behörde nicht frei von Kritik. Einerseits, weil die Daten der befragten Personen nicht ausreichend geschützt wurden. In einer ersten Version des Berichts waren Name, Telefonnummer und E-Mail Adresse eines Lighthouse-Journalisten erkenntlich.
Auch inhaltlich wurde der Bericht bemängelt. Von den 65 befragten Personen arbeitete fast die Hälfte für Polizei oder Küstenwache. Nur vier der Befragten waren selbst Geflüchtete, eine Person arbeitete für eine NGO.
Außerdem solle Teile der Ermittlungen in Zusammenarbeit mit der griechischen Polizei durchgeführt worden sein, was die Frage der Unabhängigkeit aufwirft.
Quellen:
Frontex-Skandal: Brüssel sendet gemischte Signale an Griechenland