Die AFIC „Africa-Frontex Intelligence Community“ wurde 2010 als Netzwerk für regelmäßigen Informationsaustausch über Migration und „Bedrohungen der Grenzsicherheit“ zwischen afrikanischen Staaten und Frontex gegründet. 2017 wurde ein Projekt zur “Stärkung von AFIC als Instrument, um grenzüberschreitende Kriminalität in Afrika und der EU zu bekämpfen“ gestartet, um die Zusammenarbeit in der Risikoanalyse zu verbessern und die Kapazitäten des nationalen Grenzschutzes der AFIC-Partnerländer zu stärken. Die EU-Kommission stellte für das dreijährige Projekt 4 Millionen Euro bereit.
Eine parlamentarische Anfrage der LINKE-Politikerin Özlem Demirel vom 1. Juni 2022 richtete folgende Fragen an Frontex:
Welche Länder nehmen derzeit an der AFIC teil, und welche Pläne oder Vereinbarungen gibt es für eine Erweiterung?
Welche konkreten Behörden aus den teilnehmenden Ländern sind an der AFIC beteiligt, und wie verhält sich dies zu den geplanten Beitritten von Mauretanien, Côte d’Ivoire, Guinea und Togo?
Bei welchen dieser Behörden handelt es sich um Geheimdienste oder um Polizei- oder Gendarmeriekräfte mit geheimdienstlichen Befugnissen?
Dreißig afrikanische Staaten sind, so die Antwort, Teil der Community: Angola, Ägypten, Äthiopien, Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Dschibuti, Eritrea, Gabun, Ghana, Guinea, Guinea Bissau, Kamerun, Kap Verde, Kenia, Kongo, Liberia, Mali, Mauretanien, Marokko, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone, Südsudan, Sudan, Somalia, Gambia, Togo und Tschad.
Weiter erklärt Frontex Interimsdirektorin Kalnaja: Acht „Risikoanalysezellen“, die mit Frontex’ Unterstützung in afrikanischen Staaten eingerichtet wurden, fungieren als „Rückgrat“ der AFIC. Die erste dieser Risikoanalysezellen – kurz RACs – wurde 2018 in der nigerianischen Hauptstadt Niamey eingerichtet. Die neuesten RACs in Côte d’Ivoire, Guinea und Togo entstanden erst kürzlich. Nun liegt der Fokus auf Mauretanien.
Die jeweilige Analysezelle sei in die Organisationsstruktur der zugehörigen nationalen Grenzschutzbehörde eingebettet. Frontex stelle aber Ausrüstung bereit und helfe bei Schulungen, Kapazitätsaufbau und der Einrichtung integrierter Grenzschutzsysteme. Das digitale Informationsaustauschsystem zwischen AFIC und der europäischen Grenzschutzagentur wurde im letzten Jahr verbessert, um die Kommunikation zwischen den Analyseteams zu erleichtern.
Auf die Frage, bei welchen Behörden es sich um Geheimdienste oder Behörden mit entsprechenden Befugnissen handle, erklärte Frontex, dies nicht vollständig beurteilen zu können. Die Agentur versicherte aber, dass es sich bei den ausgetauschten Informationen um statistische Daten, Anwendungsfälle und Beschreibungen von Vorgehensweisen, nicht aber um personenbezogene Daten handle.
Ganz allgemein weitet die Grenzschutzagentur ihren Handlungsrahmen über die europäischen Außengrenzen hinweg aus.
Statusabkommen zwischen Frontex und Drittstaaten gibt es unter anderem mit Albanien, Montenegro und Serbien. Unter diesen hat die Agentur die Möglichkeit, Operationen auch in Nicht-EU Ländern durchzuführen.
Nun wurde auch ein Statusabkommen mit Nordmazedonien beschlossen. Frontex soll „die nordmazedonischen Behörden bei der Steuerung der irregulären Migration, der Bekämpfung des Schmuggels und der Verbesserung der Sicherheit an den Außengrenzen der EU“ unterstützen.
Mit Bosnien und Herzegowina soll ebenfalls ein solches Abkommen geschlossen werden.
Eine engere Zusammenarbeit in Form von Statusabkommen ist außerdem mit Senegal und Mauretanien in Planung. Die beiden Staaten sind Herkunft- und Transitländer von Menschen, die auf die Kanarischen Inseln und weiter über das Mittelmeer nach Europa fliehen. Laut Statewatch will die Agentur dort unter Einsatz von „Schiffen, Überwachungsausrüstung und operativen Aufgaben“ „irreguläre Migration“ verhindern.
Die Daten, auf die Statewatch sich bezieht, stammen aus zwei „Aktionsdateien“, die sie von Frontex erhalten haben.
Laut einer Gesetzesreform aus 2019 darf Frontex nur in Drittstaaten aktiv sein, die eine gemeinsame Grenze mit einem EU-Mitgliedstaat haben. Anhand von Statusabkommen wird eine rechtliche Grundlage geschaffen, dass die Agentur auch in anderen Staaten operieren darf. Die Aushandlung derartiger Abkommen mit Senegal und Mauretanien sollen Anfang Juli begonnen haben. Laut Statewatch könnten im Rahmen solcher Abkommen Mitarbeiter:innen der Agentur, die in Drittstaaten tätig sind, juristische Immunität verliehen bekommen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war Anfang des Jahres im Senegal und hat sich mit den senegalesischen Behörden, so die Dokumente, über „irreguläre Migration“ beraten.
Das Vorgehen im Senegal sieht, abhängig von dem Ermessen der nationalen Behörden, eine kurzfristige Arbeitsvereinbarung mit Frontex vor. Mittelfristig wäre dann die Aushandlung eines Statusabkommen das Ziel, mit dem eine direkte operative Unterstützung durch Frontex sichergestellt wäre. Die Aushandlung eines solchen Abkommens wurde von Seite der EU bereits genehmigt. Final sollen Möglichkeiten zu engerer Zusammenarbeit ausgelotet werden.
Auch für die Zusammenarbeit mit Mauretanien liegt ein Aktionsdokument vor. Die EU will das nationale Migrationsmanagement unterstützen und den mauretanischen Behörden informelle Dialoge über Menschenhandel, Grenzmanagement und einen Einsatz von Frontex vorschlagen.
Basierend auf solchen Gesprächen könnte ein Arbeitsabkommen getroffen und schließlich auf ein Statusabkommen hingearbeitet werden. Auch die Aushandlung für dieses Abkommen hat die EU vergangenen Sommer bestätigt.
Quellen:
https://www.statewatch.org/media/3485/ep-frontex-afic-answer01.pdf